Das Richtfest

Richtkrone als Tradition vom Richtfest

 

 

Beim Hausbau ist das Richtfest gleichbedeutend mit dem Abschluss einer ersten, ganz entscheidenden Bauetappe. Bei jedem Haus, sei es ein Massiv- oder ein Fertighaus, wird damit das Ende des Rohbaus gefeiert. Grund genug für alle, um gemeinsam mit dem Bauherrn das Erreichte zu begutachten, zu bewerten und darauf anzustoßen. Dieses regelrecht rituelle Brauchtum lässt sich bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Damals war mit diesem Break beim Hausbau die Auszahlung des bis dahin verdienten Lohnes an die Arbeiter verbunden. Heutzutage ist ein Richtfest, das regional auch Hebefest, Hebfeier, Firstbier oder Bauheben genannt wird, der willkommene Anlass für ein gemütliches bis ausgiebiges Beisammensein aller bis dahin am Hausbau Beteiligten. Der Bauherr ist für die Ausgestaltung verantwortlich. Wenngleich jedes der Richtfeste anders gestaltet wird, so haben sie dennoch alle einen traditionellen Ablauf mit Programmpunkten, von denen keiner fehlen oder ausgelassen werden darf.

 

 

 

Richtkronen – weithin sichtbares Zeichen für das Richtfest

Das äußere erkennbare Zeichen für diesen festlichen Anlass ist die Richtkrone, alternativ als Richtkranz bezeichnet. Auf einen Kranz mit sichtbar großem Durchmesser sind vier Bügel aufgesetzt, die oben zusammengeführt werden. Kranzboden nebst Bügel werden mit Naturmaterialien wie Stroh, Tannenzweigen und anderem Strauchwerk geschmückt. Dominant ist meistens die Farbe Grün. Die Konstruktion der Richtkrone ist wahlweise aus Draht oder aus Holz. Buntfarbige Flatterbänder am Kranz- beziehungsweise Kronenboden wirken belebend, sie sind geradezu unentbehrlich. Befestigt wird der Richtkranz an einem Balken in Höhe des Hausdaches. Vom Anblick her bietet sich auch in dieser Situation der Vergleich mit dem Erntedankkranz oder mit dem Kranz am Maibaum an. Wenn der Richtkranz hängt, dann weiß jeder, dass der Rohbau für das Fertighaus fertiggestellt ist.

 

Der Programmablauf Punkt für Punkt

Für den „Festakt“ gibt es mehrere Akteure, die in einer feststehenden Reihenfolge zu Wort kommen. Zu ihnen gehören neben dem Bauherrn der Architekt, der Polier, und der Zimmermann. Die folgenden Punkte sind ein feste, unentbehrliche Programmbestandteile auf einem Richtfest:

  • Begrüßung durch den Bauherrn als Gastgeber auf der Baustelle
  • Befestigen des Richtkranzes am Dachstuhl
  • Den Richtspruch spricht entweder der Polier oder der Zimmermeister. In seinen Ausführungen dankt er allen Beteiligten und Betroffenen, die am bisherigen Hausbau mitgearbeitet haben. Anschließend bittet er um Gottes Segen für das Haus. Von seinem Platz auf dem Dachstuhl aus prostet er mit einem Glas Sekt respektive Schnaps seinen Gästen zu. Das geleerte Glas wirft er vom Dach herunter. Das sollte beim Aufprall zu Bruch gehen, was mit zukünftigem Glück für den Bauherrn verbunden ist. Bleibt das Glas unbeschädigt, dann ist das gleichbedeutend mit einem insgesamt schlechten Omen für das Haus, und auch eine Schmach für den Werfer. Schmach ist an dieser Stelle wie eine Kränkung oder Demütigung
  • Dem Bauherrn steht es zu, jetzt einen letzten Nagel in das Bauwerk hineinzuschlagen. Der sollte durchaus etwas länger sein. Wichtig ist, dass der Nagel gerade und nicht krumm eingeschlagen wird. Jede Krümmung bedeutet zu diesem Zeitpunkt eine Extrarunde Hochprozentiges für alle Anwesenden
  • Der Redner verlässt seine Dachposition, und der Richtschmaus beginnt als Event mit open end

 

Zünftiges Essen auf der Baustelle

Auf den sogenannten Richtschmaus freuen sich alle am Rohbau Beteiligten, seitdem sie dazu eingeladen wurden. Er ist ein zwangloses Beisammensein auf der Baustelle, wie es heißt ohne Ansehen von Rang und Namen. Erfahrungsgemäß wird zum Richtschmaus großzügig eingeladen; jeder ist willkommen, niemand wird ausgeschlossen. Der Maurerlehrling sitzt neben dem Architekten, und der Azubi vis-à-vis zum Bauherrn. Der Ablauf ist insgesamt rustikal; von den Sitzmöglichkeiten auf der Baustelle bis hin zu den servierten Speisen und Getränken. Bier wird grundsätzlich aus der Flasche getrunken, Schnaps und anderes Hochprozentiges aus Pinnchen als Schnapsgläsern, und Wein oder Sekt sind ein No-Go. Wie es so heißt, sorgt Arbeiten an der frischen Luft für guten Hunger.

Der eine Gastgeber wählt ein kaltes Buffet, der andere serviert belegte Brote. Eins wie das andere kommt gut an, wenn sich jeder satt essen kann und beim Trinken nicht auf ein Glas oder eine Flasche geachtet werden muss. Entscheidend ist in diesen Stunden, dass jeder der Anwesenden zu Wort kommt und Gehör findet. Das ist die Situation, in der alle am Hausbau Beteiligten, wie man sagt, eine große Gemeinschaft sind. Da nach einigen oder auch mehreren Stunden niemand mehr stocknüchtern die Baustelle verlässt, empfiehlt es sich, für die Heimfahrt einige Taxen zu bestellen und Fahrgemeinschaften zu bilden, oder sich von Angehörigen abholen zu lassen. Das Benutzen eigener Fahrzeuge, vom Auto bis zum Fahrrad, sollte tabu sein.

 

Auch das Richtfest muss geplant sein

Der Bauherr ist gut beraten, dieses für seinen Hausbau erst- und einmalige Ereignis frühzeitig sowie gut zu planen. Dabei sollten auf jeden Fall die folgenden Punkte berücksichtigt werden:

  • Der Termin muss einige Wochen vorher feststehen und allen Beteiligten bekannt sein
  • Mit Architekt, Polier und/oder Zimmermeister müssen die Details zum Ablauf abgesprochen werden
  • Die mit dem Richtschmaus verbundenen Ausgaben sind als Baunebenkosten steuerlich gegen Belegnachweis abzugsfähig
  • Beim Einladen der Gäste sollte niemand übersehen werden. Je weiter der Kreis ist, umso besser und schöner
  • Die Örtlichkeit des Richtschmauses muss von der übrigen Baustelle tritt- und unfallsicher getrennt, in dem Sinne abgesperrt sein
  • Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft! Ausgetauscht werden zu beiden Seiten hin Aufmerksamkeiten und Präsente unterschiedlicher Art, bis hin zu kleinen Geldgeschenken für die Handwerker. Dem Bauherrn wird als Glücksbringer Brot & Salz überreicht